Elmenhorst. Wird ein professioneller Polsterer engagiert, müssen zwischen 50 und 70 Euro pro Arbeitsstunde eingeplant werden. Bei einem Sessel liegt der Arbeitsaufwand bei rund acht bis zehn Stunden, bei einem Dreiersofa sogar bei bis zu 20 Stunden. „So lauten die Vorgaben, mit denen wir als Sattler kalkulieren sollen. Nehmen wir aber diese Preise, haben wir bald keine Kunden mehr“, sagt Sattler Karsten Lahs aus ­Elmenhorst.

Bereits 1975 begann er seine Ausbildung in Grimmen, damals als Auto- und Möbelpolsterer mit der Fachrichtung Restauration. Nach der politischen Wende machte er eine Umschulung zum Maler und Lackierer mit dem Schwerpunkt Ornamentmalerei.

Nach einer kurzzeitigen Tätigkeit in der Versicherungsbranche wuchs bei ihm der Wunsch, sich in seinem ursprünglichen Beruf selbstständig zu machen. Mit dem Kauf eines Grundstückes in Elmenhorst im Jahr 2004 nahm dieser Plan konkrete Formen an. Zwei Jahre später gründete Karsten Lahs an dem Standort seine „Auto- und Möbelpolsterei“. Inzwischen ist auch sein Sohn Mathias im Unternehmen als Sattler tätig. Für das Duo ist die Entwicklung in diesem alten Handwerk inzwischen existenzbedrohend.

Als die Pandemie 2020 plötzlich das Leben bestimmte, startete auch die schwere Zeit für das Sattler-Handwerk. „Die Unsicherheit war sofort zu spüren. In den ersten Monaten gingen die Aufträge schlagartig zurück. Die Menschen haben ihr Geld – verständlicherweise – zusammengehalten und dann wurde eben erst mal auf die Reparatur des Autositzes verzichtet“, so Karsten Lahs.

Eine weitere Folge war der sofortige Anstieg der Materialkosten. „Wir haben inzwischen drei- bis vierfach so hohe Preise wie vor Corona. Zwischenhändler schlagen eine Marge von 200 bis 250 Prozent auf die Materialien. Zudem sind wir im internationalen Vergleich und die dort geforderten Dumpingpreise längst nicht mehr konkurrenzfähig“, ärgert sich der Sattler.

Die Folge: Viele Sattler aus den größeren Städten schicken die Arbeit ins Ausland und lassen sie dort günstig erledigen. „Von den Gewerkschaften und Handwerkskammern gibt es zudem Vorgaben, die das Handwerk einfach kaputt machen“, meint Karsten Lahs und nennt ein Beispiel: „Empfohlen wird ein Stundenpreis von 50 bis 70 Euro. Wenn ich davon ausgehe, dass ich zehn Stunden für einen Sessel brauche, wären dies schon mal 500 bis 700 Euro nur an Arbeitsleistung. Dies macht doch kein Kunde mit. Da wird dann einfach neu gekauft.“

Viele Vertriebler haben die Arbeit inzwischen eingestellt. „Man will – wie gewohnt – seine benötigten Materialien bestellen und den Händler gibt es plötzlich gar nicht mehr. Solche und andere Probleme, wie tagesaktuelle Preise, die stark schwanken, beschäftigen uns seit nunmehr vier Jahren“, betont Mathias Lahs.

Nun musste das Unternehmen auch noch über 10 000 Euro an Corona-Hilfen zurückzahlen. „Für uns unverständlich. Ich habe das Gefühl, man will das Handwerk mit Macht kaputt machen“, so Karsten Lahs. Aber es gibt immer noch Kunden, die auf die Qualitätsarbeit setzen. „Wir fertigen viele Sitzbänke für Motorräder. Die Aufträge kommen aus ganz Deutschland. Dies sind Liebhaber, die ihrer Maschine einen ganz individuellen Stil verleihen wollen“, so der Juniorchef. Couchen oder Sitzgarnituren landen hingegen nur noch sehr selten in der Werkstatt.

Zudem hat der schnelle Onlineversand auch dafür gesorgt, dass es Kunden gibt, die keine Wartezeiten in Kauf nehmen wollen. „Manche würden am liebsten hinter einem stehen und das Ergebnis sofort wieder mitnehmen. Dass man im Handwerk aber eine gewisse Arbeitszeit hat, haben sie scheinbar komplett vergessen“, sagt Karsten Lahs.