Elmenhorst. Mit eigenem Willen und der Hilfe eines Schrittmachers gelingt es dem nach einem Unfall querschnittsgelähmten Felix Hahn inzwischen wieder, seine Beine zu bewegen. 

Artikel der Ostsee-Zeitung (Lokal Grimmen) vom 02.03.2024


Es war der 23. Februar 2022, als Felix Hahn – damals seit einem halben Jahr querschnittsgelähmt – und seine Frau Kristin abends die Sendung Stern TV sahen und erstmals von Prof. Marc Possover aus Zürich hörten. Der Arzt aus der Schweiz hat eine besondere Operationsmethode für Querschnittsgelähmte entwickelt, die ihnen wieder zu mehr Mobilität verhilft und sie im günstigsten Fall wieder laufen lässt.

Weltweit gibt es nur drei Ärzte, die an dieser Methode forschen. „Meine Frau sagte sofort: Das ist doch was für dich. Ruf da an“, erinnert sich der 44-Jährige und ist sich sicher, dass er es von sich aus wohl nie getan hätte.

Ein solcher Eingriff kostet 85 000 Euro. Eine Behandlung, die die Krankenkasse finanziell nicht übernimmt. Im vergangenen Jahr startete deshalb auf Initiative von Steffi Frick – einer Freundin der Familie – eine Spendenkampagne. Ganz viele Menschen nahmen Anteil am Schicksal des Familienvaters und das Geld für die OP kam in relativ kurzer Zeit zusammen.

Am 2. Oktober des vergangenen Jahres lag Felix Hahn dann bei Prof. Possover auf dem Operationstisch. Der Arzt setzte ihm einen Schrittmacher ein, der Stromimpulse an die Beinmuskeln sendet. Noch während der OP probiert er ihn aus, um zu schauen, ob alles optimal sitzt. Felix selbst konnte das Ergebnis noch am selben Tag mit eigenen Augen sehen: „Meine Beine bewegten sich. Das war total unwirklich, nicht zu beschreiben.“

Die Patienten werden mit dem Schrittmacher in die Lage versetzt, die Beine nicht robo-artig zu bewegen, sondern mit eigenem Kopf, eigenem Willen, selbstverständlich mit der Unterstützung des Stroms, erläuterte der Professor das Ergebnis seiner Operationen im TV-Beitrag. „Die technische und physikalische Funktionsweise ist mir verständlich. Aber wie sind die Beine vom Kopf her jetzt ansteuerbar? Wie ist das vom Kopf her möglich?“, fragt sich Felix, um das Ganze besser komplex zu verstehen.

Für seinen Schrittmacher hat der Elmenhorster eine Fernbedienung, die über drei Programme verfügt. Programm A läuft 24 Stunden durch. Dabei werden die Muskeln unterschwellig immer wieder mit kleinen Stromstößen stimuliert. Das dient dem Muskelaufbautraining. Mit Programm B können die Beine angesteuert werden. Sie können dadurch im Sitzen gestreckt und wieder gebeugt werden. Es geht dabei weniger um den Muskeltonus als vielmehr um die Verknüpfung mit dem Kopf. Programm C ermöglicht schlussendlich sogar das Aufstehen und Gehen.

Um die Programme B und C tatsächlich mit Leben zu erfüllen, muss geübt werden, hart geübt werden. So ist Felix seit Mitte Dezember dabei, das Strecken und Beugen der Beine zu trainieren. Zwei- bis dreimal täglich. Und es gelingt ihm immer besser. Das ist harte Arbeit! Am Anfang war dabei noch sein ganzer Körper unheimlich angespannt, was inzwischen nicht mehr so ex­trem ist. „Ich bekomme meine Beine im Trainingsprogramm schon gut angesteuert. Sie waren ja durch fehlende Muskulatur nach den über zwei Jahren im Rollstuhl nur noch Knochen und schlaffe Haut. Jetzt ist sie wieder fester. Außerdem konnte ich die Spastikmedikamente, die natürlich Nebenwirkungen haben, vollkommen absetzen“, freut sich der Familienvater über die Fortschritte.

Auf die Frage, ob er auch beide Beine gleichzeitig aktivieren und dann bewusst das rechte oder linke beugen kann, hat Felix keine Antwort. Er probiert es gleich aus und staunt nicht schlecht. „Das ist doch der Beweis dafür, dass tatsächlich vom Kopf was durchkommt, es eine Verknüpfung gibt“, ist er begeistert. Wieder ein Fortschritt, über den er vielleicht mit Prof. Possover bei der nächsten Videotelefonie sprechen wird. Die beiden stehen nämlich in regelmäßigem Kontakt. Und das wird in den nächsten Jahren auch so bleiben.

Sehr froh ist der Elmenhorster auch über seinen Arbeitgeber – die Bundeswehr. Seit Ende 2022 arbeitet er wieder – nach dem Hamburger Modell. Er wurde ins Reha-Programm der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf aufgenommen, wodurch er nicht nur eine begrenzte Anzahl an Reha-Maßnahmen erhält, sondern genau so viele, wie er tatsächlich benötigt.

Felix weiß, dass er noch einen langen Weg vor sich hat, aber auch ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Auf diesem Weg begleiten ihn seine Familie und seine Freunde und waren auch die unzähligen Spender von insgesamt 85 000 Euro ein entscheidender Teil, wofür er unendlich dankbar ist. „Ich bin mit den Fortschritten bisher zufrieden und mache weiter“, sagt er, der von sich selbst behauptet, ein ungeduldiger Mensch zu sein. Mit seiner Lebenseinstellung, seiner Willenskraft und seiner Zuversicht darf man wohl noch auf einiges gefasst sein, was ein komplett Außenstehender sicher als ein Wunder bezeichnen würde.

Meine Beine bewegten sich. Das war total unwirklich, nicht zu beschreiben.

Foto: Elke Rüster, Ostsee-Zeitung